Schubert/Mahler, Beethoven/Weingartner: Streichquartette in der Bearbeitung für Streichorchester


1996 / Orfeo
Philharmonisches Staatsorchester Hamburg

Franz  Schubert/Gustav Mahler: Streichquartett d-Moll D 810 op. posth. (Der Tod und das Mädchen, 1894 – Bearbeitung für Streichorchester)
Ludwig van Beethoven/Felix Weingartner: Große Fuge B-Dur op. 133 für Streichquartett (Bearbeitung für Streichorchester)


Der Sprung vom filigranen Kammermusiksatz zum raumfüllenden Orchesterklang ist gewagt – zwei solcher Sprünge sind in dieser Einspielung dokumentiert: Gustav  Mahlers Bearbeitung von Franz Schuberts Der Tod und das Mädchen und Beethovens Große Fuge B-Dur in der Bearbeitung durch Felix Weingartner. Zwei bedeutende Werke der Streichquartettliteratur, für großes Orchester umgearbeitet und vom Philharmonischen Staatsorchester Hamburg unter der Leitung von Gerd Albrecht eindrucksvoll interpretiert.

Mahlers ursprüngliche Intention, Schuberts Quartett Nr. 14 in d-Moll mit seiner Bearbeitung für Streichorchester aufführungstauglicher für größere Säle zu machen, ist in heutigen Zeiten von ausgefeilter Akustik und beliebig steuerbaren medialen Abspielmöglichkeiten nicht mehr gerechtfertigt. Warum also eine Bearbeitung auf CD einspielen und nicht auf das eigentlich nicht zu überbietende Original zurückgreifen? Wer zwei Aufnahmen vergleicht wird schnell feststellen: Trotz des unveränderten Notenmaterials ist der Unterschied des Klangeindrucks gewaltig. Gewaltig im wahrsten Sinne des Wortes: Die feinen Fäden und Windungen der Einzelstimmen verbinden sich im Orchestersatz zu Tauen, entfalten sich zu Klangflächen und vervielfältigen sich zu einem wahrhaft sinnlichen Meer, was besonders in Beethovens Großer Fuge überwältigend wirkt. Bei Schubert fügte Gustav Mahler seiner Kammerorchesterversion außerdem eine Kontrabassstimme hinzu, auf deren zusätzlichem Fundament sich der Klang erheben kann. Gerd Albrecht geht in seiner Einspielung bewusst auf diese Veränderungen im Werk ein. Sowohl Schuberts als auch Beethovens Kompositionen klingen durch die Bearbeitung in ihrer Fülle weicher als viele Streichquartettaufnahmen, ja man könnte behaupten, dass sie in gewisser Weise leichter anzuhören sind.

Die Bezeichnung „Der Tod und das Mädchen“ geht auf den zweiten Satz von Schuberts Streichquartett zurück, dessen Thema einem von Schubert selbst komponierten Kunstlied entstammt, dem wiederum ein gleichnamiges Gedicht von Matthias Claudius aus dem Jahr 1775 zugrunde liegt. Seit der Renaissance war besonders die bildliche Darstellung des Todes als Liebhaber einer jungen Frau ein beliebtes Motiv. Auch Beethoven greift mit seiner Großen Fuge in gewisser Weise auf ein altes Thema zurück: Die Kompositionstechnik, die wir in erster Linie mit ihrem großen Meister Johann Sebastian Bach verbinden. Doch Beethoven entwickelt sie in ihrer Form weiter, neben Teilen im strengen Fugensatz finden sich lange Passagen im freieren Stil. Karl Holz, ein Freund Beethovens, erinnert sich diesbezüglich: »›Eine Fuge zu machen‹, sagte Beethoven, ist keine Kunst, ich habe deren zu Dutzenden in meiner Studienzeit gemacht. Aber die Phantasie will auch ihr recht behaupten, und heut’ zu Tage muss in die alt hergebrachte Form ein anderes, ein wirklich poetisches Element kommen« (Wilhelm von Lenz: Beethoven. Eine Kunststudie, Band 5 [Hamburg 1860], S. 219). Ein „poetisches Element“ in die „alt hergebrachte Form“ hat auch Weingartner mit seiner Bearbeitung in Beethovens Streichquartettsatz gebracht.