Hans Werner Henze: Gogo No Eiko – Das verratene Meer (Live)
2009 / Orfeo / Live-Aufnahme von den Salzburger Festspielen 2006 / Uraufführung der Neufassung
Orchestra Sinfonica Nazionale della RAI
Liebe, Verrat und der Generationenkonflikt zwischen Jung und Alt – das sind die Themen der Oper Das verratene Meer von Hans Werner Henze, die 1990 unter großer internationaler Anteilnahme an der Deutschen Oper Berlin Premiere feierte. Zu seinem 80. Geburtstag im Jahr 2006 hat der berühmte Komponist das Werk nochmals überarbeitet: Als komplette Neufassung, mit neuer Musik und neuem Libretto in japanischer Sprache.
Gerd Albrecht dirigierte am 26. August 2006 bei den Salzburger Festspielen die konzertante Uraufführung dieser revidierten Fassung mit dem Titel Gogo no Eiko – Das verratene Meer. Nachdem das Publikum den Musikern zugejubelt hatte, stürmte dem anwesenden Komponisten frenetischer Beifall entgegen. Der Live-Mitschnitt dieser denkwürdigen Aufführung mit dem Orchestra Sinfonica Nazionale della RAI erschien 2009 bei Orfeo.
Die Neubearbeitung von Gogo no Eiko geht auf ein Treffen Gerd Albrechts und Hans Werner Henzes zurück, bei dem Albrecht vorschlug, den deutschen Text wieder ins Japanische zu übersetzen. Ein schwieriges Unterfangen, verlängerten sich sprachbedingt die Sätze dadurch um das Doppelte bis Dreifache. Doch es gelang erfolgreich. Mit 50 Minuten zusätzlich komponierter, absolut sinnlicher und packender Musik erzählt Henze die Geschichte einer mordenden Jugendgang. Betörende Streicherklänge und brutale Schlagzeuggewitter charakterisieren die Lebensumstände und -bedingungen heutiger Jugendlicher. Ryuji, der Liebhaber der reichen Witwe Fusako, entscheidet sich gegen sein Fischersein und für die Liebe zu Fusako. Am Ende des Musikdramas, dessen Titel auf Deutsch mit „Der Seemann, der die See verriet“ übersetzt werden kann, wird Ryuji von Fusakos Sohn Noboru und dessen Freunden auf brutalste Weise ermordet.
Dem ungeheuerlichen Geschehen auf der Handlungsebene setzt Henze mitunter eine geradezu balladenhafte, leichte und zarte Musik entgegen, die Stille und Besinnung einzufordern scheint. Das symphonische Orchester ist weitgehend klassisch europäisch besetzt, ergänzt durch einige Exoten im Schlagwerk, wie z.B. die japanische Doppelfelltrommel O-Daiko. Bei den Gesangsstimmen setzt der Komponist auf eine umfassende Ausschöpfung der Vokallagen: Das Quintett der Jungenbande ist von Altus bis Bass notiert, während die beiden Erwachsenen Fusako und Ryuji mit einem lyrischen Sopran und einem männlichen Bass auch stimmlich die äußeren Ränder zu den Jugendlichen bilden. Durch rhythmischen Sprechgesang entwickeln die Vokalisten mitunter eine spukhaft bizarre Stimmung, die mit den Klängen des Orchesters geheimnisvoll verschmilzt.
Librettist: Hans-Ulrich Treichel
Dichter der Textvorlage: Yukio Mishima
Solisten
Tsuyoshi Mihara (Ryuji)
Mari Midorikawa (Fusako)
Jun Takahashi (Noboru)
Teruhiko Komori (Jungenbande, Anführer)
Zvi Emanuel-Marial (Jungenbande, Nummer Zwei)
Kwang-Il Kim (Jungenbande, Nummer Vier)
Yasushi Hirano (Jungenbande, Nummer Fünf)