Erwin Schulhoff: Der Bürger als Edelmann


2003 / Orfeo
Deutsches Symphonie Orchester Berlin

Können Sie sich das Manifest der Kommunistischen Partei als Musikstück vorstellen? Erwin Schulhoff vertonte es 1932 in Form einer Kantate. So ungewöhnlich wie die Wahl seiner Sujets war seinerzeit auch Schulhoffs Umgang mit stilistischen musikalischen Mitteln. Als einer der ersten europäischen Komponisten adaptierte er rhythmische und harmonische Elemente aus dem Jazz und anderen amerikanischen Modetänzen wie dem Charleston oder Foxtrott in seiner Musik. Kein Wunder, dass sein Werk von den Nationalsozialisten bald als entartet eingestuft wurde. Schulhoff wurde interniert und starb im August 1942 an den Folgen der Lagerhaft.

1894 in Prag geboren, nimmt Erwin Schulhoff eine bedeutende Rolle in der Entwicklung der Musikgeschichte ein. Seine Experimentierfreudigkeit ging in alle Richtungen. Frühe Werke erinnern an Mahler, Strauss oder Zemlinsky. Während der Zwanzigerjahre arbeitete Schulhoff mit Jazz und populären Einflüssen. Aber er setzte sich auch mit Arnold Schönberg, Alban Berg, der Vierteltonmusik Alois Hábas und dem Dadaismus auseinander. Anfang der Dreißigerjahre wandte er sich der Ästhetik des Sozialistischen Realismus zu und plante, mit seiner Familie in die Sowjetunion überzusiedeln.

Stilistisch zu seinen frühen Werken gehören die beiden ersten Stücke auf der vorliegenden CD aus der Reihe Musica Rediviva, die sich Komponisten widmet, die durch Unrecht vergessen und verfolgt wurden: Landschaften besteht aus fünf Gedichten von Johannes Theodor Kuhlemann. Die „Sinfonie für Mezzosopran und Orchester“, op. 26 entstand 1912. Mit Menschheit „Sinfonie für eine Altstimme und Orchester“, op. 28 vertonte Schulhoff im Jahr 1919 fünf Gedichte von Theodor Däubler. Die eine Komposition ist einem im Krieg gefallenen Studienfreund Schulhoffs gewidmet, die andere Karl Liebknecht. Beide Werke brachte Gerd Albrecht 1999 gemeinsam mit dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin zur Uraufführung.

Die Konzertsuite Der Bürger als Edelmann für Klavier, sieben Bläser und Schlagzeug feierte am 26. Oktober 1926 in Königsberg Premiere. Erwin Schulhoff selber spielte Klavier, Hermann Scherchen dirigierte. Die Musik strotzt vor Energie, heiterer, spritziger Einfälle und guter Laune.